LibW-Neubau auf dem Gelände des Tannenhofs in Ulm

Einweihung des Neubaus: Lebensqualität regt positive Verhaltensweisen an

„Schwerwiegend herausfordernde Verhaltensweisen“: Mit diesem Fachterminus werden Menschen belegt, die aufgrund einer geistigen Behinderung oder psychischen Störung sich selbst oder andere gefährden oder mit denen sich eine soziale Interaktion nach den üblichen Regeln schwierig gestaltet. Der Habila-Tannenhof in Ulm verfügt über eine hohe Expertise darin, Assistenzangebote für diesen Personenkreis qualifiziert zu gestalten. Eines davon ist das „Langfristig intensiv betreute Wohnen“ (LibW).

Das LibW wird künftig am Tannenhof nach einem modernen Konzept gestaltet, in das Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) einfließen. Es orientiert sich an der wissenschaftlich fundierten Erkenntnis, dass sich herausforderndes Verhalten deutlich vermindern lässt, wenn die Lebensqualität der Betroffenen verbessert wird. Sie sollen – auch wenn sie autistisch veranlagt oder nicht verbal mitteilungsfähig sind, eine verminderte Impulskontrolle aufweisen oder unter Ängsten leiden – ihren Tagesablauf, die Auswahl von Essen oder Kleidung und Beschäftigungsmöglichkeiten so selbstbestimmt wie möglich gestalten können.

Als Hülle für die Verwirklichung dieses Konzeptes wurde am Tannenhof ein neues LibW-Wohnhaus für 24 Personen gebaut, entworfen vom Architekten Matthias Ott aus Laichingen. Die Wohnungen für jeweils vier Klienten sind deutlich kleiner als die bisher zur Verfügung stehenden Wohneinheiten. Inhaltliche Kernelemente des Konzepts wie das Prinzip der persönlichen Assistenz, die Mitwirkung der Klienten bei der häuslichen Selbstversorgung und die Nutzung des Sozialraums können dort jetzt viel besser umgesetzt werden.

Am Donnerstag wurde der Neubau vor dem Einzug der ersten Bewohner der Öffentlichkeit vorgestellt. KVJS-Verbandsdirektorin Kristin Schwarz betonte in ihrem Grußwort, dass auch Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf das Recht auf ein möglichst hohes Maß an Selbstbestimmung hätten. Das neue LibW am Tannenhof biete den künftigen Nutzern nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ein Zuhause. Sie erhielten dort die individuell notwendige Unterstützung mit hoher fachlicher Kompetenz und viel Empathie.

Auch Landrat Heiner Scheffold sprach dem LibW am Tannenhof einen „Vorbildcharakter“ zu. Mit solchen Projekten verwandelten sich Begriffe wie Inklusion in Handlungen und tatsächliche Zustände. „Je individueller und personenzentrierter die Unterstützung ist, desto besser gelingt der Abbau von Hürden“, sagte Scheffold. Habila-Geschäftsführer Joachim Kiefer erläuterte, dass sich soziale Interaktion nach den üblichen Regeln für diesen Personenkreis manchmal schwieriger gestaltet als für andere. „Unser Anspruch ist es, mehr Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen, und zwar für alle Menschen mit einer Behinderung“, so Kiefer.

Zum Schutz der Bewohner bei gleichzeitiger Selbstbestimmung kommt in dem neuen Haus auch moderne Technik zum Einsatz. Fabienne Treccosti, Leiterin für Soziale Teilhabe und Pflege der Habila in Ulm und im Alb-Donau-Kreis, erläuterte das sogenannte „Schutzengel-System“. Über einen Transponder können individuell Bewegungsradien einschließlich der Berechtigung zur Öffnung bestimmter Türen zugewiesen werden, bei deren Überschreitung eine Meldung bei den anwesenden Mitarbeitern eingeht. Zudem werde es Wohnungen geben, in denen Personen mit einem besonderen Ruhebedürfnis auch Rückzugsorte finden. Andere seien auf besonders aktive und lebhafte Klienten ausgerichtet. Eine wichtige Rolle in der Tagesstrukturierung und zur Anregung der Sinne bilden außerdem Ziegen, Hühner, Kaninchen und neuerdings auch Schafe, die von den Bewohnern in den Außenanlagen versorgt werden.

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) als Bauherr hat gut 5,6 Millionen Euro in den Neubau des LIBW-Wohngebäudes auf dem Gelände des Tannenhofs investiert. Weitere 1,8 Millionen Euro fließen in die Modernisierung von Räumen für Tagesstruktur-Angebote, die in einem nächsten Schritt angegangen wird. Gefördert wird das Vorhaben durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg mit insgesamt 1,4 Millionen Euro.

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